Es gilt die Unschuldsvermutung

Das stimmt. Juristisch. Und das darf sich niemals ändern. Aber, mal ganz unjuristisch und von Mann zu Mann: Hören Sie auf, sich hinter diesem Satz zu verstecken! 

Er wird in Fällen, wo es um sexuelle Übergriffe geht, genutzt, um davon abzulenken oder zu verdrängen, dass wir in einer strukturell misogynen Gesellschaft leben. Er ist eine einfache Ausrede, den Opfern – den Frauen, denn in den meisten Fällen sind es Frauen – nicht zuhören zu müssen. 

Wer diesen Satz in solchen Fällen reflexhaft und unreflektiert sagt, bedient ein Narrativ, das Gewalt gegen Mädchen und Frauen rechtfertigt. Diese Seite weigert sich, diesen Satz unwidersprochen als Argument gelten zu lassen. Nicht in einem Land, dem gerade von einem Fachgremium des Europaratsgravierende Defizite beim Schutz von Frauen und Mädchen vor geschlechtsspezifischer Gewalt“ attestiert wurden. Nicht in einem Land, in dem jede Stunde dreizehn Frauen Opfer von Gewalt werden, so dass die Bundesinnenministerin empfiehlt, den Begriff „Femizid“ zu verwenden.

Diese Seite weigert sich, das alles einfach hinzunehmen und mit der Unschuldsvermutung zu überdecken. Diese Seite teilt die Einschätzung der Juristin Christina Clemm, die sagt: „Eine verletzte Person hat als verletzt zu gelten, so lange nicht bewiesen ist, dass sie gelogen hat.“ 

Deshalb geht diese Seite davon aus, dass in einem solchen Land dieser Satz stimmt:

Es gilt die Arschlochvermutung

Nach allem, was wir über Gewalt gegen Mädchen und Frauen wissen, ist dieses Zitat für viel mehr Männer richtig als Sie denken:

Oder was macht es mit Ihnen, wenn ich Ihnen sage, dass es Millionen Täter gibt? Dass Sie einen kennen, einen decken, einer sind oder alles zusammen? Dass das keine Einzelfälle sind, die leider, leider hier und da passieren, sondern unser misogynes Fundament ist, auf dem Sie und ich unseren täglichen Geschäften nachgehen.

Nils Pickert in Der Standard

Diese Seite weiß, dass deshalb bis zum Beweis des Gegenteils die Arschlochvermutung gilt: In erster Linie für die, die Gedichte darüber schreiben, dass sie Frauen betäuben und vergewaltigen. Wer derlei Gewalt gegen Frauen relativiert („was haben die denn erwartet?“) oder normalisiert („Hunderttausende Rammstein-Fans und im Vergleich dazu vielleicht 100, die angeblich Machtmissbrauch durch Till Lindemann erlebt haben wollen“), für den gilt ausnahmslos die Arschlochvermutung. 

Die Archlochvermutung gilt für die Männer, die in ihrem alltäglichen Verhalten Gewalt gegen Frauen und Mädchen ausüben, decken oder befördern. Diejenigen, die sexistische Witzchen reißen, diejenigen, die nichts sagen, wenn ein anderer Mann sexistische Witzchen reißt. Sie gilt für alle Männer, die Frauen nicht zuhören, sie nicht ernst nehmen, wenn sie von kleinen, mittleren, großen, verbalen, körperlichen Übergriffen erzählen. Diese Vermutung gilt auch für uns, auch für Sie!

Wir Männer stehen unter Arschlochgeneralverdacht.

Der Journalist Nils Pickert schreibt über den Femizid, den unsere Gesellschaften ausmacht:

Es ist ein zumeist männliches Verbrechen, das auch von denen geschützt wird, die es selbst nicht begehen. Wir naturalisieren es, wir blasen es auf. Wir machen es zu einer Urgewalt und erklären damit, dass Frauen qua Geschlecht in einer Welt leben, in der im Bedarfsfall über ihre Körper verfügt wird. In der man sie zum Objekt macht und ihnen alles wegnehmen will, was ihnen gehört und was sie sind. Wir erklären diese Welt zum Schicksal, obwohl wir sie jeden Tag gegen Frauen neu erschaffen. Mit unserer Anspruchshaltung, unserer Gier, unserer Gewaltbereitschaft und unserem gekränkten Stolz. Mit unserem Desinteresse und unserer Ignoranz.

Bis zum Beweis des Gegenteils gelten wir alle als misogyne Arschlöcher, denen diese Website nahelegt, sich fortzubilden, zu reflektieren und sich an ihre grundlegende Menschlichkeit zu erinnern: Ein guter Einstieg dafür ist Rebecca Solnits Buch „Wenn Männer mir die Welt erklären„. 

Denn diese sexualisierte Gewalt ist keine Naturkatastrophe, sondern die Tat von uns Männern, für die allesamt – haben wir das schon mal erwähnt? – die Arschlochvermutung gilt. 

An der misogynen Struktur in diesem Land werden wir mit dieser Website allein wenig ändern, aber wir haben jetzt den Link arschlochvermutung.de, den wir verschicken können, wenn wieder einer menschenverachtend, gewalttätig und übegriffig wird oder dieses Verhalten wortreich verteidigen will. 

Egal, wie juristisch darüber entschieden wird, gilt für jeden dieser Männer die Arschlochvermutung!

Und für alle, die auf diesem Weg auf die Website kommen, gilt: 

Hier kann man sich – auch juristisch – engagieren.